Sex als eheliche Pflicht: Recht und Realität
Das Wort Ehe hat drei ursprüngliche Bedeutungen: Ewigkeit, Recht und Gesetz. Die Ehe wird „vor den Augen von Gott und der Welt“ und für das ganze Leben geschlossen. Daher sind die Rechte der Ehepartner auch durch den Gesetzgeber geregelt, und zwar im Paragraphen 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die ehelichen Pflichten umfassen einerseits die lebenslange Verantwortung der Partner füreinander und andererseits die eheliche Lebensgemeinschaft.
Dass Sex zu den ehelichen Pflichten oder Rechten von Verheirateten gehört, wird allerdings nicht wörtlich erwähnt. Im zweiten Abschnitt ist lediglich vom Verlangen nach Herstellung der Gemeinschaft die Rede – aber dazu gehört in der Regel auch die Lust auf Sex. Dieses Verlangen sollte der Ehepartner erfüllen, es sei denn, die Ehe wäre bereits gescheitert oder das Verlangen wäre missbräuchlich (z. B. gewalttätig).
Der Gesetzestext ist einfach und kurz – wie viele grundlegende juristische Regelungen. Auch seine Interpretation in Bezug auf die Sexualität in der Ehe ist nicht weiter schwierig: Sex gehört zur Ehe, da eine auf Lebenszeit geschlossene Partnerschaft auch die körperlichen Bedürfnisse der Partner berücksichtigen muss. Weil die Ehepartner sich bei der Trauung zur Treue verpflichtet haben, sollte die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse zudem innerhalb der Ehe stattfinden können.
Lust und Sex lassen sich nicht einklagen
In der Praxis ist der Paragraph 1353 BGB eher Richtlinie als Definition gesetzlicher Verpflichtungen – denn einklagen lässt sich das Recht auf ehelichen Sex nicht. Würde ein entsprechendes Urteil gefällt, ließe es sich nicht vollstrecken – allein die Vorstellung ist absurd.
Hier beißt sich ohnehin die Schlange in den Schwanz: Einerseits steht im Gesetzbuch, ein Partner müsse das Verlangen des anderen nicht mehr erfüllen, wenn die Ehe gescheitert sei. Andererseits kann eine Ehe gemeinhin als gescheitert gelten, wenn der Wunsch nach Gemeinschaft, Nähe und Zärtlichkeit dauerhaft erloschen ist.
Folgerichtig wird der Gesetzestext nur äußerst selten bemüht, wenn es darum geht, eine Ehe zu retten. Meist wird er zitiert, wenn eine Scheidung angestrebt wird oder bereits beschlossene Sache ist – denn in diesen Fällen sollen die Partner erklären bzw. nachweisen, dass ihre Ehe unrettbar gescheitert und eine Lebensgemeinschaft in Zukunft für sie nicht mehr vorstellbar ist.
Nicht einvernehmlicher Sex ist, wie jede sexuelle und andere Gewalt, auch in der Ehe verboten. Seit dem Jahr 1997 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar – das steht in Paragraph 177 des Strafgesetzbuches. Vorher hieß es allerdings nicht, Vergewaltigung in der Ehe sei erlaubt, es gab lediglich noch nicht dieses klare Verbot.
Sex als Vollzug der Ehe
Das Zeugen von Nachkommen und das Aufziehen von Kindern wurden in der Ehe früher als wesentlich angesehen – als zwingende Voraussetzung und Konsequenz dieser von der Gesellschaft besonders geschützten und geförderten Lebensgemeinschaft. Und dazu mussten die Partner Sex miteinander haben, und zwar nicht irgendwie und irgendwann, sondern ein Mann mit einer Frau, regelmäßig und vaginal, denn anders war der nötige Kindersegen kaum zu erwarten.
Die Frauenbewegung hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass ehelicher Vollzug heute nicht mehr über die Fügung (der Frau) unter das Verlangen (des Mannes) definiert werden kann. Noch im Jahr 1966 verurteilte der Bundesgerichtshof eine Ehefrau nicht nur zur Gewährung des ehelichen Beischlafs, sondern forderte sogar, sie möge dabei Engagement und Zuneigung zeigen. Falls ihr das aus eigenem Empfinden und Wünschen nicht möglich sei, könne der Gatte zumindest Opferbereitschaft verlangen; das Signalisieren von Widerwillen oder Gleichgültigkeit sei für den Partner hingegen nicht zumutbar.
Der sogenannte Vollzug der Ehe wird vielerorts noch heute in einem größeren Kreis zelebriert oder überprüft (z. B. durch öffentliches Zu-Bett-Bringen der Frischvermählten oder Vorzeigen der Bettlaken am Morgen nach der Hochzeitsnacht). So beweist das Paar nicht nur seine Bereitschaft, sondern auch seine Fähigkeit zur Fortpflanzung; oft geht es auch um den Nachweis, dass die Braut vorher noch Jungfrau war.
Wie viel Sex gehört zu einer „gesunden“ Ehe?
Natürlich muss auch in einer intakten Ehe nicht jedes Mal Sex stattfinden, sobald zumindest einer das Bedürfnis danach hat. Und natürlich ist keiner dazu verpflichtet, dem anderen in dieser Hinsicht etwas vorzuspielen. Rücksicht auf die momentane körperliche und seelische Verfassung des Partners gehört ebenso zur Verantwortung wie die grundsätzliche Bedürfnisbefriedigung. Hat einer der Partner gerade keine Lust auf Sex (aus welchen Gründen auch immer), sollte der andere das hinnehmen – und sein Glück in einem geeigneteren Moment erneut versuchen oder einfach warten, bis der andere wieder Verlangen signalisiert.
Schwankungen in der Libido und damit im Sexleben sind menschlich und darum vor allem in langen Partnerschaften ganz normal. Das oben Gesagte gilt also nicht nur in der Ehe, sondern in allen Liebesbeziehungen. Dazu kommt, dass es überhaupt nur eine praktisch anwendbare und somit auch brauchbare Richtlinie für die Häufigkeit, Art und Intensität des gemeinsamen Liebeslebens gibt: Beide Partner müssen damit einverstanden und zufrieden sein.
Es gibt durchaus Ehen, in denen kaum oder gar kein Sex stattfindet und beide mit dieser Form des Zusammenlebens glücklich sind. Ebenso gibt es gleichgeschlechtliche Ehegemeinschaften, platonische Verbindungen mit Trauschein sowie Eheleute, die jede Menge Sex, aber keine Kinder möchten. Nicht nur juristisch, sondern auch menschlich gesehen gilt hier: Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.
Bei Eheproblemen: Eheberatung geht vor Rechtsweg
Ein unbefriedigendes Sexleben kann für die Ehe sehr belastend sein. Meist ist das Fehlen oder Nachlassen der sexuellen Lust und Zuwendung aber nicht die Ursache, sondern die Wirkung von Eheproblemen.
Paare, die ihre Probleme lösen und ihre Ehe so auch sexuell neu beleben möchten, können durch eine Eheberatung oder während einer Paartherapie viel übereinander lernen.
Vornehmlich geht es darum, die Voraussetzungen für das ersehnte Glück zu schaffen; die aktuellen Schwierigkeiten sollen nicht länger mit Vergangenem begründet, sondern für die Zukunft überwunden werden.
Gerade das gemeinsame Nach-Vorne-Schauen fällt Paaren mit schwelenden Konflikten und unerfüllten Sehnsüchten jedoch schwer. Hier sind die Erfahrung und neutrale Position des Eheberaters oder Therapeuten wertvoll – er kann vermitteln, Eskalationen verhindern und die Partner immer wieder zu ihren gemeinsamen Prioritäten und einer konstruktiven, zukunftsorientierten Herangehensweise zurückführen.
Und jetzt noch ein paar Schlusswörter
Dieser Text wurde nicht veröffentlicht, weil der Auftraggeber befürchtete, damit seine Hauptzielgruppe – Frauen – zu ärgern, zu verschrecken oder beides. Jetzt steht er immerhin hier und ist mit dieser Erklärung genau 1000 Wörter lang.