Grammatik lebt vom Mitmachen
Laut einer Studie ist Deutsch die zehntsonderbarste Sprache der Welt. Damit sie das bleibt, sind alle Nutzer angehalten, ihr Stil- und Grammatikbewusstsein zu trainieren.
Ein guter Text wird mit anständiger Grammatik geliefert. Es ist nicht Aufgabe des Lesers, aus den Fehlern des Schreibers klug zu werden.
Leser sollten, wenn sie einen Text nicht verstehen, den Fehler zuerst in dessen Form suchen, dann im Inhalt und zuletzt in ihrem Gehirn.
Grammatik ist kein Statussymbol: Gewollte Verkomplizierung ist eitel und abstoßend, gewollte Einschränkung beschränkt auch die Zielgruppe.
Ein guter Schreiber wird verstanden. Will er das nicht, schreibt er für Verständnislose.
Gute Grammatik wird leichter erfasst als produziert. Wer unsicher ist, handelt verantwortungsvoll und leserfreundlich, indem er gefährliche Klippen umschifft. Die Länge eines Satzes sagt nichts über dessen Kraft, Schönheit oder Tiefe aus.
Grammatik ist ein Code, der auf Übereinstimmung basiert. Wer schwerwiegende Fehler (Bezug, Wortwahl, Deklination, Vollständigkeit) nicht wahr- und ernst-, sondern hinnimmmt, gefährdet sein Vertrauensverhältnis zur Muttersprache. Durch gewohnheitsmäßiges Dulden, Rechtfertigen und Verharmlosen von Codierungsfehlern verlieren Schreiber ihre Botschaft, Leser ihren Anspruch und die Sprache ihr Nest.
Wer den Code beherrscht, kann Stil entwickeln
Andere erzählen ihm dann, wie der ist. Entwickelt er keinen, ist das kein Beinbruch: Gute Arbeit ist allemal drin.
Sprachstil ist signierter Code. Er bedeutet Eigentum im Überall und Friede mit den Regeln. Auflehnung gegen die Grammatik ist kein Stil, sondern Kulturflucht. Guter Stil wird von Grammatik nicht beschwert und macht Grammatik nicht leichter. Er tröstet sie über ihr Gewicht hinweg, tanzt an ihrer Stange und spielt in ihrem Schoß.
Beim literarischen Schreiben wird tief in den Topf gegriffen: Der Leser will gelockt, umgarnt, mitgenommen, verzaubert, entführt, gepackt, gerührt, erschüttert, unterhalten, überrascht, erregt, konfrontiert, korrekt verabschiedet und auf eigene Verantwortung entlassen werden.
Dafür gestaltet der Erzähler Handlungsebenen, Spannungskurven, Protagonisten, Konflikte, Räume, Gefühle, Sexszenen, Dialoge, Rückblenden, Zeitsprünge und was ihm sonst noch einfällt.
Klare Ziele, enge Grenzen
Fach- und Lehrtexte brauchen sichere Führung und viel mehr Grammatik als Stil. Die meisten müssen Geld bringen und können in Zahlen gewertet werden.
Gut für die Zahlen sind: glatte, kompakte und angenehme Sprache, störungsfreies Lesen und der sichere Transport von Informationen.
Unsichere Schreiber neigen zu standardisierten, unreflektierten und unattraktiven Formulierungen. Sie kämpfen mit Rechtschreibung und Zeichensetzung, tun sich schwer mit dem Ersinnen guter Vergleiche und Beispiele, retten sich in Redundanz und verirren sich im Satzbau.
Verfasser von Lerntexten sind häufig mehr Fachkraft als Autor: Sie stehen dem Inhalt ihrer Texte näher als deren formaler Gestaltung, pflegen zur Leserschaft eher sachliche und meist flüchtige Beziehungen und bekommen selten ergiebiges Feedback zu ihren schriftstellerischen Qualitäten. Nicht wenige schätzen deswegen ihren Schreib- und Erklärstil, die Wirkung ihrer Texte und deren Fehlerdichte falsch ein.
Die hier aufgeführten Standardfehler, Formschwächen und Störelemente finden sich in zahlreichen Fach- und Lehrtexten und sind leicht zu vermeiden.
Genaues Hinsehen und lautes Lesen schulen Auge und Ohr und erweitern das Sprachbewusstsein. Mitdenken und Weglassen fallen schon nach einigen Übungen leichter.
Sämtliche Schreibtugenden können übrigens bequem zu Hause trainiert werden; als Ausrüstung reichen zwei Stifte (schwarz und rot), ein mit dem Körper verbundener und ausreichend durchbluteter Kopf sowie zwei Unterlagen für Gesäß und Papier.
Mitwachsender Stil- und Grammatiknavigator
Singular – Plural
Vorsicht bei Bandwurmsätzen: Ob ein Verb im Singular oder Plural steht, ist vom Subjekt abhängig.
Nach dem Subjekt wird mit „Wer (oder was)?“ gefragt; es ist der handelnde Satzteil.
Beispiel für falsche Verwendung
Und das, obwohl die weite Verbreitung physischer und psychosozialer Risikofaktoren im Berufsalltag insbesondere für betriebswirtschaftlich wie auch volkswirtschaftlich bedeutsame Krankheitsbilder wie zum Beispiel Rückenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychische Erkrankungen auf beträchtliche präventive und ökonomische Potenziale schließen lassen.
Korrigiert (und durch Umstellung verständlicher)
Und das, obwohl die weite Verbreitung physischer und psychosozialer Risikofaktoren im Berufsalltag auf beträchtliche präventive und ökonomische Potenziale schließen lässt – insbesondere für betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich bedeutsame Krankheitsbilder wie Rückenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychische Erkrankungen.
Falle: Fehlgeleitete Intuition. Viele Autoren verwenden automatisch den Plural, wenn ein Satz aus vielen Teilen besteht, und übersehen den entscheidenden Bezugspunkt.
Falsch:Durch geringere Fehlzeiten wird das Betriebsergebnis sowie die langfristige Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gesteigert.
Richtig: … werden gesteigert (es sind immerhin drei)
Falsch:
Es soll ein Fortschreiten und eine Verschlechterung des Zustandes vermieden werden.
Falle: Es ist hier kein Subjekt, sondern eine sprachliche Leerkalorie. Hieße es: Der Arzt soll das Fortschreiten etc. verhindern, wäre Singular natürlich korrekt.
Sinngemäß ist hier außerdem etwas verheddert: Ein Zustand kann sich verschlechtern, aber nicht fortschreiten.
Korrigiert: Das Fortschreiten der Krankheit und die Verschlechterung des Zustandes sollen vermieden werden.
Sowohl als auch
Beispiel für falsche Verwendung:
Solidarität umfasst sowohl die Fürsorgepflicht der Organisation und die Treuepflicht der Mitarbeiter.
Solidarität umfasst sowohl die Fürsorgepflicht der Organisation, wie auch die Treuepflicht der Mitarbeiter.
Richtig:
Solidarität umfasst sowohl die Fürsorgepflicht der Organisation als auch die Treuepflicht der Mitarbeiter.
Oder
Solidarität umfasst die Fürsorgepflicht der Organisation wie (auch) die Treuepflicht der Mitarbeiter.
Vor dem als steht kein Komma: Sowohl das Auge als auch das Ohr sind hier ohne Beistrich glücklich.
Sowohl x wie y ist erlaubt, aber unschön.
Je-je und umso-desto
Falsch:
Je x – je y
umso x – umso y
umso x – desto y
Richtig:
Je x, desto y
Je x, umso y
Umso x, je y (Er wurde umso dicker, je mehr er aß)
Gegenseitig
Oft wird geschrieben:
X und Y beeinflussen sich gegenseitig
oder
X und Y bedingen sich gegenseitig.
Schriftsprachlich schöner ist:
X und Y beeinflussen/bedingen einander.
Es heißt ja auch nicht Die beiden lieben sich gegenseitig, sondern Die beiden lieben einander.
Das eigene individuelle Selbst
Individuum und individuell enthalten bereits die Bedeutungen einzeln, eigen und selbst. Dasselbe gilt bei bewusst und Bewusstsein, wahrnehmen und Wahrnehmung, persönlich und Person. Durch Verdoppeln und Verdreifachen erhalten entsprechende Wendungen unfreiwillige Komik.
Beispiele:
Der Klient muss selbst seine eigenen, individuellen Entscheidungen treffen.
Jeder muss aus dem eigenen Bauch heraus seinen ganz persönlichen Weg selber finden.
Der Trainierende lernt, seine individuelle Wahrnehmung wieder direkt auf den eigenen Körper zu beziehen.
Hier hilft eine kurze Gegenfrage: Wessen Bauch könnte noch gemeint sein? Wessen Körper, Denken oder Handeln könnte es sein, wenn nicht die des Subjekts?
Außerdem hilfreich: den Satz ohne die Vervielfachung laut lesen.
Der Klient muss eigene Entscheidungen treffen.
Jeder muss (aus dem Bauch heraus) seinen Weg finden.
Der Trainierende lernt, seinen Körper wieder wahrzunehmen.
Fehlt etwas?
Es erfolgen bestimmte Gegebenheiten
Viel verwendet, aber meist überflüssig: klassische Leerkalorien.
Beispiel:
Es erfolgt die Bereitstellung von x, nach erfolgter Bereitstellung besteht y, das gegebene y kann auf ein bestimmtes z einwirken.
Ausgesagt und verstanden soll werden:
X wird bereitgestellt, woraufhin y auf z einwirken kann.
Ein bestimmter Muskel, eine bestimmte Aussage: Solche Formulierungen sind angebracht, wenn Muskel oder Aussage auch namentlich oder zahlenmäßig bestimmt werden (müssen). Soll lediglich ausgesagt werden, dass es sich um 1 (nicht viele), eins nach dem anderen (nicht alle gleichzeitig) oder gezieltes (nicht zufälliges) Handeln/Funktionieren handelt, stellen sich die Fragen: Muss das dazugesagt oder betont werden? Ist es eine zusätzliche Information? Wäre es sonst unklar? Warum? Für wen?
Falle: Der unbestimmte Artikel (ein, eine) und das Wort bestimmt sitzen eben nicht gern nebeneinander – Wer könnte ihnen daraus einen Vorwurf machen?
Sinn …
… wird im Deutschen nicht gemacht. Das ist eine stilistisch unschöne und halbgare Anglifizierung (richtig im Englischen: Something makes sense).
Dinge ergeben Sinn, sind sinnvoll oder sinnlos.
Falle: Die falsche Verwendung hat sich umgangssprachlich eingebürgert, ist jedoch noch nicht für schriftrichtig erklärt worden. Es kann dauern, bis der letzte Germanist die weiße Flagge hisst.
Vergleiche
Falsch:
X ist größer als wie Y
X ist größer wie Y
X ist größer, als Y
X, wie Y, sind größer als Z
Richtig:
X ist größer als Y (kein Komma)
Aber: X ist jetzt schon größer, als Y jemals werden kann (Komma, da der Nebensatz vollständig ist)
X wie Y sind größer als Z
Aber: Einige X, etwa Y, sind größer als Z (Einschub in Kommata) regiert den Dativ: Ich beuge einem Sachverhalt, einer Entwicklung etc. vor.
Falsch: Ich beuge eine Entwicklung/Krankheit vor.
Während
regiert den Genitiv: Während des Trainings.
(Möglich, damit’s nicht absurd kompliziert wird, aber grammatikalisch angewurstet: Während und nach dem Training.)
Öfters und einzigst
…gibt es nicht.
Oft und öfter gibt es, einzig lässt sich nicht steigern.
Falle: Der wilde Süden. Klassischer Dialektfehler, ebenso wie Pluralbildungen mit verkehrtem Umlaut, etwa Krägen, Läger und Wägen (korrekt sind die Pluralformen Kragen, Lager und Wagen)
Füllwortorgien
hingegen, demzufolge, somit, wiederum (mit einem r), demnach, ebenso, allerdings, jeweils, entsprechend, sogar, darüber hinaus: Passt das wirklich? Muss das sein?
Im Zweifelsfall weglassen, es sind Schmuckwörter: niemals Pflicht, immer Kür, in langen und verschachtelten Sätzen oft Stolpersteine, in Sach- und Fachsätzen manchmal irreführend.
Beispiel für Sinnverwirrung:
In einigen Modellen werden Gesundheitsförderung und Prävention gleichgesetzt, wobei je nach Schwerpunktsetzung Prävention die Gesundheitsförderung umfasst oder Gesundheitsförderung den Oberbegriff darstellt, unter dem auch die Prävention beschrieben wird. Einige Autoren stellen Gesundheitsförderung und Prävention sogar als jeweils eigenständige Strategie dar.
Die 100.000-$-Frage: Wie unterscheiden sich diese Modelle von diesen Autoren?
Falle: Die Verwirrung ergibt sich aus der vermeintlichen Steigerung durch das Füllwort sogar.
Beispiel kleine Füllwortorgie:
Gesundheitsförderung kann der Definition nach daher eigentlich nur einem ganzheitlichen Verständnis entspringen.
Größere Füllwortorgie:
Nach allen bisherigen Erfahrungen kommen von den Beschäftigten in der Regel meist sehr praxisnahe Lösungsideen, die meist sogar ohne großen finanziellen Aufwand entsprechend verwirklicht werden können.
Schachtelsätze
Beispiel:
In Anlehnung an verschiedene bekannte Fachautoren ist in der Sport- und Bewegungswissenschaft der umfassende Gesundheitsbegriff, der als ganzheitliches Konzept sowohl physiologische, physische und psychische als auch soziale Elemente enthält, unverzichtbar, weil einerseits von einer solchen Leitidee her verkürzte, einseitige Sichtweisen vom Sport treibenden Menschen kritisiert werden und andererseits auch Begründungen für eine große und wachsende Vielfalt von Bewegungsaktivitäten gefunden werden können, ohne die verbesserte Funktionstüchtigkeit von Organsystemen zum alleinigen Kriterium der Gesundheitsrelevanz machen zu müssen.
Beispiel Satzentfilzung:
In der Sport- und Bewegungswissenschaft ist ein umfassender Gesundheitsbegriff unverzichtbar. Als ganzheitliches Konzept enthält er sowohl physische und psychische als auch soziale Elemente. Eine solche Leitidee kritisiert verkürzte, einseitige Sichtweisen und begründet den Nutzen vielfältiger Bewegungsaktivität nicht nur mit der Verbesserung der Organfunktionen.
Artikelflut
Ein, eine etc. soweit als möglich vermeiden. Begriffe wie Verknüpfung, Stärkung, Schwächung, Definition, Ableitung, Aufbau, Synthese, Optimierung, Vermeidung etc. kommen fast immer ohne unbestimmten Artikel, vielfach auch ohne bestimmten aus. Im Zweifelsfall kurz überlegen: Besteht hier ein Unterschied zwischen Optimierung und einer Optimierung? Falls ja (sehr unwahrscheinlich): Wird der noch erläutert? Falls nein: weglassen.
Kurz, konkret und aktiv formulieren:
verknüpfen statt eine konkrete Verknüpfung erreichen
stärken statt eine wirksame Stärkung hervorrufen
optimieren statt eine zufriedenstellende Optimierung erzielen
Ein starkes Verb ersetzt einen Teller Wortsuppe und hilft Autoren, die von Artikelose und Adjektivitis genesen möchten.
optimal und Optimierung lassen sich nicht steigern und dulden keine Steigerungsworte neben sich. Formulierungen wie höchstmögliche Optimierung, optimale Maximalkraft, optimalere Kundenbetreuung, verbesserte Optimierung, erfolgreich optimieren, positiv optimieren etc. sind stilistische und logische Katastrophen.
Superlative generell nicht zusammen mit Abschwächungen/Relativierungen/Verallgemeinerungen verwenden. Also nicht: Das Wichtigste ist unter anderem … oder bedeutsamste Faktoren sind beispielsweise …
Entweder wird hier das Bedeutsamste aufgeführt (das können natürlich auch mehrere Punkte sein) oder irgendwas unter irgendwelchen anderen (in dem Fall ist der Superlativ unangebracht).
Nicht jedes Adjektiv lässt sich steigern. Besonders gern trotzdem gesteigert werden: optimal, ideal, messbar, einzig, gleich, maximal, minimal und entscheidend. Das führt zu lustigen, aber wenig seriösen Hyperlativen in Fachtexten (Die maximalste Steigerung ist am entscheidendsten Punkt erreicht.)
aktive Formulierung, starke Aussage
Hauptmerkmal passiver Formulierung ist das Verb werden, Hauptmerkmal schwacher Aussagen sind die Verben können, sollen und scheinen sowie Füllwörter und Adjektive, allen voran eigentlich, wohl, anscheinend, scheinbar, eventuell, vermutlich und entsprechend.
Auch hier beachten: Unbestimmte Artikel schwächen und bremsen.
Beispiele:
Schwach:
Durch ausgewogene Ernährung kann das Wohlbefinden gesteigert werden.
Aktiv und stark:
Ausgewogene Ernährung steigert das Wohlbefinden.
Schwach:
Eine Verlängerung der Pause konnte mit einer verbesserten Adaption assoziiert werden.
Aktiv und stark:
Längere Pausen begünstigen die Adaption.
Ganz schwach:
Mitarbeiterbefragungen sind eigentlich nur dann sinnvoll, wenn die Angaben der Befragten ernstgenommen werden sollen.
Schon viel stärker (und außerdem logisch):
Mitarbeiterbefragungen sind nur dann sinnvoll, wenn die Angaben der Befragten ernstgenommen werden.
Stark:
Wer seine Mitarbeiter befragt, muss ihre Antworten ernstnehmen.
(Hier ist erstmals ein Mensch das Subjekt, kein Ding oder abstrakter Begriff)
Zur Verdeutlichung der Relevanz:
In einem zu lektorierenden Text mit insgesamt rund 50.000 Worten fand ich 337 x werden und 264 x wird, 146 x wurde, 174 x wurden, 315 x können, 220 x kann sowie rund 3.500 unbestimmte und 5.000 bestimmte Artikel.
Unglückliche Wortehen
Unglücklich: Die Kommunikation untereinander/miteinander/zwischen den Teilnehmern
Kommunikation ist immer mit, unter, von und zu irgendwem oder irgendwas und bleibt daher grammatikalisch gern Single.
Glücklich:Die Kommunikation (der Teilnehmer) wird gefördert, höchstens etwa: Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, aber auch hier reicht: … von Mensch und Maschine (da wird ja nicht jeder in eine andere Ecke kommunizieren; gemeint sind in 99,99 % der Fälle mehrere Subjekte/Objekte, aber eine Kommunikation, die allen gehört.
Unglücklich: x hat die Fähigkeit, y (tun) zu können.
Glücklich: x kann y oder x hat die Fähigkeit, y zu tun.
unglücklich: X kann y ermöglichen.
glücklich:X ermöglicht y.
Beispiele:
unglücklich:
Der routinemäßige Rückgriff auf das detaillierte Expertenwissen der eigenen Belegschaft kann zugleich aber auch den einzelnen Mitarbeitern deutlich mehr Möglichkeiten zur Mitsprache einräumen.
glücklich (und kürzer):
Der routinemäßige Rückgriff auf das Expertenwissen der Belegschaft räumt den einzelnen Mitarbeitern deutlich mehr Möglichkeiten zur Mitsprache ein.
unglücklich:
Das Substrat hat die Fähigkeit, Wasser binden zu können.
glücklich:
Das Substrat kann Wasser binden.
unglücklich:
Sie werden durch diesen Lehrgang in der Lage sein, mit Diabetikern im Rahmen der Prävention arbeiten zu können.
glücklich:
Dieser Lehrgang wird Sie befähigen, mit Diabetikern im Rahmen der Prävention zu arbeiten.
Das folgende Beispiel soll veranschaulichen, wie viel Heikles in einem kurzen Satz stecken kann.
So lautet der Satz:
Eine scheinbar geschlechtsneutrale Politik und Praxis in Arbeitsschutz und Prävention kann gesundheitliche Ungleichheiten für Frauen und Männer bedingen.
Gemeint ist:
Bei Arbeitsschutz und Prävention darf man die Geschlechter nicht gleich behandeln.
Also:
Geschlechtsneutrale Politik und Praxis in Arbeitsschutz und Prävention können zu gesundheitlicher Ungleichheit der Geschlechter führen.
Im Satz wird jedoch ausgesagt:
Scheinbar geschlechtsneutrale (also nicht geschlechtsneutrale) Praxis kann Bedingung für gesundheitliche Ungleichheiten für Frauen und Männer sein.
Es wird also nichts ausgesagt, aber viel Verwirrung gestiftet:
Bedingung und Resultat werden verwechselt und das Wort Ungleichheit falsch verwendet (Pluralform, Bezugspunkt, für statt von), nachdem die wesentliche Aussage durch das Wort scheinbar bereits logisch unmöglich geworden ist.
Wenn (falls) ein Leser kapiert, was gemeint ist, hat er es also trotz der Formulierung kapiert oder schon vorher gewusst – das darf bei Gebrauchs- und Lehrtexten natürlich nicht Bedingung sein.
Falle: Der Autor weiß, was gemeint ist, und hinterfragt daher seine Wortwahl/Formulierung nicht sorgfältig genug. Sorgfalt bedeutet noch vor Sprachwissen und Themenkenntnis leserzugewandtes Denken und Formulieren.
auch und dass…
werden generell zu oft verwendet.
Problematisch wird es, wenn sich in einem Satz mehrere auchs finden oder der Satz durch eine dass-Konstruktion unnötig verheddert oder in die Länge gezogen wird.
Falle: Synonymmangel und Unsicherheit mit dem Konjunktiv.
Vermeiden einer dass-Konstruktion durch korrekten Konjunktiv:
Vorher:
Viele Sportler glauben, dass Schmerzen ein Zeichen von besserer Trainingswirksamkeit wären und daher zur schnelleren Adaption führen würden.
Nachher:
Viele Sportler glauben, Schmerzen seien ein Zeichen besserer Trainingswirksamkeit und führten zur schnelleren Adaption.
Konjunktivschwäche ist übrigens eine Zivilisationskrankheit der Schreiber. Kein Leser ist mit dem Konjunktiv überfordert.
Vermeiden einer dass-Konstruktion durch Weglassen von Überflüssigem:
Vorher:
Obwohl es stimmt, dass Training in der Gruppe mehr Spaß macht, sollten Sportler darauf achten, dass auch die individuellen Trainingspläne berücksichtigt werden.
Nachher:
Vielen macht Training in der Gruppe mehr Spaß. Trotzdem sollten Sportler auch individuelle Trainingspläne berücksichtigen.
Einige Synonyme, mit denen sich auch kontextsensitiv ersetzen lässt:
obwohl, selbst, ebenfalls, ebenso, außerdem, zudem, zusätzlich, zuweilen, bisweilen, beziehungsweise (bzw.)
Zudem gilt die Regel: Von fünf auchs können drei ersatzlos gestrichen werden, vor allem die, die mit weiteren Füllseln verheiratet sind, etwa in wie auch, wohl auch, so auch, besonders auch, vor allem auch, zum Beispiel auch, etwa auch, oder auch etc.
Anforderungen, Ansprüche, Aufgaben und Co.
Aufgaben werden gestellt, angenommen, gelöst, erledigt, bewältigt und erfüllt. Sie werden nicht überwunden und, anders als Themnen, nicht verfehlt.
Anforderungen werden erfüllt und nicht gelöst.
Jemand stellt sich den Anforderungen, Anforderungen werden an einen Menschen gestellt, etwas stellt jemanden vor hohe Anforderungen.
Herausforderungen werden nicht gelöst, sondern angenommen und bewältigt.
Ein Mensch stellt sich der Herausforderung, ein Mensch steht vor einer schwierigen (nicht hohen) Herausforderung, etwas stellt jemanden vor eine Herausforderung.
Probleme werden nicht erfüllt und nicht gestellt, sondern gelöst, überwunden oder bewältigt.
Etwas stellt jemanden vor Probleme.
Ansprüche bestehen, werden gestellt und erfüllt. Sie werden nicht gelöst und nicht bewältigt.
Etwas oder jemand erfüllt die Ansprüche. Etwas oder jemand genügt den Ansprüchen. Ein nicht mehr bestehender, nicht erfüllter oder unberechtigter Anspruch wird fallengelassen, aufgegeben oder abgewiesen.
Einwände werden erhoben oder vorgebracht, nicht gefragt, erstellt oder gestellt. Einwände hat man, kann sie aber nicht bekommen. Ihnen wird entsprochen oder stattgegeben, notfalls auch zugestimmt. Sie werden angenommen, entkräftet, abgewiesen und widerlegt, aber nicht gelöst. Einwände zu überwinden kann Teil eines politischen Konzepts oder einer Verhandlungsstrategie sein, klingt jedoch schauerlich: Sämtliche Einwände wurden überwunden.
Zusammen kommen
… ist ein schönes Beispiel für die Wichtigkeit der korrekten Getrennt-/Zusammenschreibung. Sexualpartner können zusammen kommen, Faktoren, Konflikte, Trainingspartner oder Wissenschaftler müssen sich (meist) mit dem Zusammenkommen begnügen.
Weitere häufige Verwirrungen:
Banknachbarn, die zu viel schwätzen, muss man auseinander setzen.
Mit einem Problem muss man sich auseinandersetzen.
Wer früher fertig wird, darf früher gehen.
Wer mit einem Problem nicht alleine fertigwird, braucht Hilfe.
Aufrecht erhalten gibt es nicht (ok, denkbar wäre ein Kontext wie „Durch Einbalsamieren und anschließendes Einmauern in stehender Position gelang es, den Leichnam aufrecht zu erhalten“), nur aufrecht halten (bloß nicht umkippen lassen!) und aufrechterhalten (Meinungen, Gewohnheiten etc.)
Wenn Sie alleine nicht mehr weiterwissen, fragen Sie einen Experten um Rat.
Wenn Sie aber zum Tathergang nichts weiter wissen, sind Sie als Zeuge jetzt entlassen.
Jemand sollte dem Koch klarmachen, dass er die französische Gemüsebrühe nicht trüb, sondern klar machen muss.
Da wir seit Generationen Gut heißen, kann ich es nicht gutheißen, dass unsere Älteste in die Familie Schlecht einheiraten will.
Wir müssen sichergehen, dass wir auf der Brücke sicher gehen und nicht ausrutschen.
Diesen Mann darf man mit seinen Problemen nicht alleinlassen, sonst macht er die Möbel kaputt. Ans kalte Buffet kann man ihn aber ruhig allein lassen, er braucht beim Essen keine Gesellschaft.
Vielleicht könnte es uns beiden weiterhelfen, wenn ich Ihnen nicht weiter helfen, sondern Sie in Ruhe lassen würde.
Wenn wir das Gespräch noch lange weiterlaufen lassen, ist der letzte Bus weg, und ich muss weiter laufen, um nach Hause zu kommen.
Falle: Die Rechtschreibreform. Vor lauter Verwirrung wird seit her viel zu viel aus ein ander geschrieben.