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Schröders Schrift

Das Wartezimmer war hell und kühl, ausgestattet mit modernen Stühlen und einem Glastischchen, auf dem Zeitschriften lagen: Merian, Cosmopolitan und die Bunte. Da er der einzige Wartende war, griff Schröder nach der Bunten und sah sich Kinderbilder der europäischen Königshäuser an. Wenn er sich bewegte, sprangen einzelne Fasern des taubenblauen Sitzbezugs an seine Hosennähte.

Obwohl er ein wenig fror, rann ihm tropfenweise Schweiß aus den Achselhöhlen. Er spreizte beim Lesen die Arme ab, doch so schlüpften die unangenehm kühlen Tropfen durch den Armausschnitt des Unterhemds, liefen an seinen Rippen herab und versickerten erst knapp über dem Hosenbund im Hemdstoff. Mit wachsendem Unbehagen registrierte er den Geruch.

Als die schwere Tür zum Sprechzimmer geöffnet wurde, machte sie ein schwach saugendes Geräusch; hastig legte Schröder die Zeitschrift zurück, erhob sich und versuchte, die durchsichtigen Fasern von der Hose zu streichen. Dadurch bekam er sie jedoch an die Hände, wo sie haftenblieben. Angeekelt rieb er die Finger aneinander und wartete, ob jemand ihn hereinrufen würde; schließlich ging er ungerufen hinein und sah den Doktor hinter einem mächtigen Schreibtisch sitzen.

Doktor Eisenstein war klein und sehnig, sein ergrauendes Haar sorgfältig gestutzt; er trug einen altmodischen Spitzbart und eine goldgerahmte Brille. Jetzt erhob er sich und kam um den Schreibtisch herum, sein dunkler Anzug folgte jeder Bewegung mit tadelloser und teurer Leichtigkeit. Schröders kalte, klebrige Hand lag sekundenlang in Doktor Eisensteins warmer und fester.

„Herr Schröder. Sie erbitten Hilfe bei einer handschriftlichen Bewerbung?“
„Ja, weil ich so etwas noch nie gemacht habe und mein Wunscharbeitgeber es verlangt.“
„Schön, schön. Bitte setzen Sie sich. Sie wollen sich bewerben als –“
„In der Verwaltung.“

Schröder ließ sich auf dem Sessel vor dem Schreibtisch nieder, knetete seine Hände und versuchte sich zu sammeln. Die langen Reihen alter Buchrücken in dunklen Regalen stimmten ihn ehrfürchtig, vorsichtig sog er den Papiergeruch ein. Verschiedene Schreibgeräte standen und lagen auf der Tischplatte, manche alt und vielleicht Dekoration, andere offensichtlich in Benutzung wie das offene Tintenfäßchen und das Federmesser, neben dem sich ein hauchdünner Kielspan kräuselte.

„Es gibt Grundregeln – “, begann Doktor Eisenstein. Schröder unterbrach ihn sofort.
„Die Grundregeln sind mir bekannt. Wissen Sie, es geht mir weniger um die Formulierung oder den Inhalt der Bewerbung. Wichtig wäre mir die Wirkung, die Wirkung meiner Schrift, verstehen Sie? Ich möchte sichergehen, daß dieser Experte, wie soll ich das ausdrücken, daß er nicht –“
„Sie möchten also erfahren, was Ihre Handschrift über Sie aussagt?“
„Nein, ich will … ich möchte nur, daß sie einen guten Eindruck macht, das ist alles.“

Doktor Eisenstein lächelte kurz. Aus einer Schublade holte er Papier und Bleistift heraus und schob sie Schröder zu.
„Nun gut. Lassen Sie mich also Ihre Handschrift sehen.“
Schröder griff nach dem Bleistift, legte die Linke aufs Papier und fühlte es unter den feuchten Fingerkuppen rauh werden. Der Stift drückte wie ein Fremdkörper, er faßte ihn noch fester und bemerkte erschrocken, daß seine Finger zitterten. Der Doktor beobachtete ihn und schüttelte leicht den Kopf.
„Sie schwitzen. Möchten Sie Ihre Hände waschen?“
„Nein, nein, das geht schon, ich bin nur ein wenig nervös, wissen Sie, ich schreibe nämlich fast nie mehr von Hand … was soll ich eigentlich schreiben?“
„Was haben Sie denn als Letztes von Hand geschrieben?“
„Ja, meinen Namen, denke ich, unterschreiben muß man ja immer –“
„Schön, unterschreiben Sie also.“

Schröder unterschrieb und schob das Blatt zurück, der Doktor ergriff es und sah sehr lange darauf.

Unruhig bewegte Schröder die Beine, schlug erst das eine über das andere, dann das andere über das eine; zuletzt stellte er sie wieder nebeneinander und klemmte seine kalte Schreibhand dazwischen. Dabei sah er sich unauffällig im Zimmer um, überlegte, was das dunkelbraune Chesterfieldsofa wohl gekostet hatte und betrachtete die Frauenbüste auf dem Regal. Schließlich fiel sein Blick auf Doktor Eisensteins Hände, die das Papier hielten. Sie waren gut gepflegt und manikürt, sahen jedoch keineswegs weich oder verzärtelt aus. Der Druck der Fingerkuppen war leicht und präzise, an keiner Stelle wellten, knickten oder bewegten sie das Papier. Die aufgequollenen Druckstellen waren verschwunden.

Es schwebt, dachte Schröder erstaunt und fühlte, wie er sich entspannte. Er rutschte im Sessel ein wenig zurück und lehnte sich probehalber an das glatte Leder, da legte der Doktor das Blatt hin und räusperte sich.

„Ihre Schrift wirft keinerlei Fragen auf. Sie sind schwach und sehnen sich nach Führung. Ihr Leben ist arm an Höhepunkten, Sie beneiden andere, ohne sie zu verstehen, artikulieren sich nicht, da Sie gefallen möchten. Die falschen Frauen begehren Sie, weil Sie den richtigen nichts zu bieten haben. Sie können ohne weiteres diese Bewerbung aufsetzen. Sie werden eingestellt, da es sich um Verwaltungsarbeit handelt. Somit benötigen Sie meine Dienste nicht.“

Seltsamerweise verspürte Schröder nicht den Drang zu widersprechen. Er saß ruhig und spürte das Leder an seinem Rücken sich erwärmen. Auch seine Hände waren endlich warm geworden. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, am richtigen Ort zu sein.
„Sie sagen, ich sei ein Niemand.“
„Ich würde es nicht so ausdrücken.“
„Aber es ist wahr. Jedes Wort. Und das alles konnten Sie an meiner Unterschrift erkennen!“
„In der Tat habe ich eine spezielle Ausbildung genossen, die mich dazu befähigt.“
„Würden Sie mir erklären, wie Sie das gemacht haben?“
„Dazu bin ich bedauerlicherweise nicht in der Lage. Aber ich kann es Ihnen zeigen.“
Doktor Eisenstein nahm seine Brille ab und hielt sie Schröder hin.
„Bitte sehr.“

Schröder setzte die Brille auf. Die feinen Bügel waren warm. Er sah zum Sofa, zur Büste und über die Bücher und bemerkte keinen Unterschied.
„Wenn Sie jetzt bitte Ihre Unterschrift betrachten möchten.“
Der Doktor reichte ihm das Papier, Schröder sah hin und las:

Ist es so richtig?

Plötzlich bekam er keine Luft mehr. In seiner Brust zappelte etwas, wand sich wie ein Tier, biß und riß mit kleinen, scharfen Zähnen; die Schrift verschwamm. Fahrig warf er die Hände hoch, zog an der Brille und schleuderte sie auf den Tisch. Dann schlug er die Hände vors Gesicht, rieb die Augen, bis er feurige Brezeln sah, vergaß den Doktor und das Papier und konzentrierte sich auf den Schmerz, der bereits nachließ. Als er völlig verklungen war, öffnete Schröder die Augen und sah vorsichtig wie ein Kind zwischen den Fingern hindurch. Die Brille lag neben dem Papier. Auf dem Papier stand:

Ist es so richtig?

Schröder holte tief Luft. Der rauhe, gequälte Klang seines Atems erschreckte ihn. Bevor er etwas sagen konnte, fühlte er, wie Doktor Eisenstein sich von hinten über ihn beugte. Eine warme, feste Hand legte sich auf seinen Nacken, die andere glitt an seinem rechten Arm entlang. Schröder erschauerte und seufzte. Zwei der Finger, zwischen denen das Papier geschwebt hatte, umspannten ganz leicht sein Handgelenk, die anderen ruhten auf seinem Handrücken. Als Doktor Eisenstein sprach, streifte sein Atem Schröders Schläfe.

„Wollen Sie es noch einmal versuchen?“

Schröder nickte, nahm die Hand vom Gesicht und ließ sie sinken. Die Hand des Doktors folgte ihr zur Tischplatte, Schröder tastete nach dem Bleistift, fand ihn und griff zu. Aus den Händen des Doktors flossen Wärme und Sicherheit in seinen Rücken, Ruhe in seine Finger. Dort aber, wo das Tier gezappelt und gebissen hatte, verwandelte sich die sachte Berührung in jähe, schwere Hitze und stählernen Druck. Schröder schloß die Augen und fühlte etwas einrasten. Mit geschlossenen Augen schrieb er, bis der Druck verschwand, dann ließ er den Stift los.

Doktor Eisenstein nahm seine Hände fort, sie hinterließen eine eigenartige Kühle, und ging zurück hinter seinen Schreibtisch. Schröder lauschte den Schritten nach und lächelte über das feine Quietschen des Leders, als sich der Doktor in seinem Sessel niederließ.
„Herr Schröder. Möchten Sie jetzt bitte lesen, was Sie geschrieben haben.“

Schröder sah auf das Blatt und las:

Ich schwöre und gelobe

„Jetzt verstehe ich“, sagte Schröder.

„Ich bin nicht billig“, sagte Doktor Eisenstein. „Aber ich denke, die Sache ist es wert, finden Sie nicht?“

Da musste Schröder lachen. Er lachte so sehr, daß ihm die Tränen kamen. Er nahm die Brille, setzte sie auf und sah seine Unterschrift, setzte sie wieder ab, sah seine Unterschrift und lachte und lachte. Gelassen sah ihm der Doktor zu.

Als er wieder zu Atem gekommen war, nahm Schröder den Bleistift, drehte ihn in den Fingern und ließ ihn wippen.

„Wo muß ich unterschreiben?“, fragte er.

Der Professor - Zeichnung von Rose Praetorius

Der Professor – Zeichnung von Rose Praetorius


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