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Vom Weibe das Wort

„Wohin gehst du? Hast du vergessen, daß ich für heute Abend Theaterkarten habe?“
Ich zucke zusammen, die Schlüssel in der Hand, die Jacke halb angezogen.
„Nur kurz – “
„Jaja, das kenn ich! Davonschleichen willst du dich, mich wieder allein gehen lassen, die halbe Nacht bei deinem asozialen Freund im Keller sitzen! Ich hab Helga und Günter aber schon gesagt, daß du diesmal mitkommst!“
„Mich hast du nicht – “
„Wozu auch? Du hättest doch sowieso keine Lust gehabt! Du brauchst ja keine Kultur! Hast ja dein Scheißlabor! Alles andere ist dir doch scheißegal!“
„Schatz, bitte, so kannst du das nicht – “
„Kann ich nicht? Kann ich nicht? Und wie war’s letztes Mal, schon vergessen? Wenn Günter nicht ab und zu aus Mitleid mit mir getanzt hätte, wär ich glatt vergammelt!“
„Du weißt, daß mir solche Gesellschaften – “
„Es geht aber nicht nur um dich, auch wenn du das vielleicht denkst! Ich bin auch noch da! Ich bin auch wichtig!“
Gleich wird sie weinen. Da: Sie weint. Schlimmer kann es gar nicht kommen in einem solchen –
„Warum hast du mich überhaupt geheiratet? Früher war ich wichtig! Jetzt kann ich mit verheulten Augen ausgehen! Toll! Ganz toll!“
„Aber Liebling – “
„Faß mich nicht an! Und nenn mich nicht so! Alles gelogen! Unsere ganze Ehe ist gelogen!“
„Also gut, reg dich ab. Dann geh ich jetzt ins Bad und – “
„Beeil dich gefälligst! In einer Stunde müssen wir da sein!“
Sie geht in ihr Zimmer, um ihr Gesicht zu richten. Vom Bad aus rufe ich heimlich Otto an und sage, daß ich nicht komme.
„Hat sie dich wieder rumgekriegt? Mensch, ich hab hier alles vorbereitet! Das wäre verdammtnochmal wichtig gewesen, und du weißt genau, daß ich es alleine nicht kann!“
„Ehrlich, es tut mir – “
„Scheiße! Davon hab ich nichts! Wir sind so dicht dran, Mensch! So dicht! Und die anderen schlafen doch auch nicht! Glaubst du, daß die heut ins Theater gehen? Du weißt genau, daß jede Sekunde zählt! Wenn das jetzt alles, wenn unsere ganze Arbeit wegen dieser – “
Ich lege auf. Es hat keinen Zweck. Otto ist nicht verheiratet, und in zehn Minuten müssen wir los.

Helga und Günter sind reizend wie immer. Ich könnte sie totschlagen. Meine Frau hat sich gut gefangen, sie ist geradezu in Hochform. Kokett spreizt sie den kleinen Finger vom langen Stiel des Sektglases ab, beugt sich zu Helga und tuschelt ihr laut in die Aufsteckfrisur:
„Mein Mann hat ja eigentlich wieder ü-ber-haupt keine Lust gehabt! Hat nur noch sein Radarspray im Kopf!“
Zu mir sagt sie:
„Na, ist doch gar nicht so schlimm bisher, oder? Mal was anderes! Frischer Wind für das verstaubte Forscherhirn!“
Helga kichert und knufft meine Frau in die Seite. Günter prostet mir zu und lächelt gütig.
Ich könnte sie alle totschlagen. Wenn der zweite Akt so langweilig ist wie der erste, werde ich vor der nächsten Pause einschlafen. Helga klopft mir jovial auf den Rücken und sagt:
„Wenn es dein Radarspray mal in der Drogerie gibt, kauf ich mir natürlich auch eins!“
Zum Glück ist die Pause vorbei.

Der zweite Akt ist noch langweiliger als der erste. Meiner Frau macht das nichts aus, da sie sich grundsätzlich vorher über Inhalt und Bedeutung des Stücks informiert, um dann während der Vorstellung ungestraft abschalten oder mit Helga flüstern zu können. Wichtig ist nur, daß man überhaupt dortgewesen ist. Und selbstredend das Gesüffel und Geschwätz in den Pausen und nachher noch stundenlang im Theatercafé, wo man mit ein wenig Glück bekannte Schauspieler beobachten kann, die beim Rosé ebenso eitel, gelangweilt und ohne Verstand daherreden.

Günter hat heimlich einen Keksriegel mitgebracht, den er jetzt auf sein Knie legt und unter der Hand versteckt. Ganz langsam reißt er das Papier auf, fummelt unter drohenden Seitenblicken in Zeitlupe herum, bis er den Riegel halb aus dem Papier geschoben hat, und beugt sich dann vor, um leise ein Stück abzulutschen.
Ich stelle mir vor, wie er sich mit seinen teuren Jacketkronen durch die Schokoschicht schmilzt, gezielt Spucke in den Keks einbringt, mit Gaumen und Zunge die verbleibende Festigkeit prüft, schließlich Druck aufbaut, den zermatschten Teil anlöst, abknickt und sofort die Zungenspitze auf die Bruchstelle preßt, um alle Krümel sicherzustellen oder zumindest am Restriegel zu verschweißen. Lautlos, präzise und ohne Sichtkontrolle.
Günter ist Internist. Er ist gewohnt, Unerfreuliches, das sich im Dunkeln abspielt, aufmerksam zu betrachten. Helgas Blicke sieht er nicht.
Ob er freiwillig hier ist?
Günter bemerkt mein Lächeln, hält mir den angelutschten Keksriegel hin und raunt:
„Auchmabeischn?“

In der zweiten Pause erzähle ich Günter von dem Durchbruch mit den Bariumsalzen.
„Es war unglaublich! Schon bei einer geringen Konzentration in der Raumluft waren wir fähig, genaue telepathische Botschaften über Entfernungen bis zu einem Meter – “
„Ich bitte dich!“
„Und das ist erst der Anfang. Wenn wir es schaffen, eine Mischung zu finden, die sich gefahrlos und auf Dauer in die gesamte Atmosphäre einbringen läßt – “
„Du willst die gesamte Atmosphäre leitfähig machen?“
„Genau. Das bedeutet das Ende des Geplappers, verstehst du? Endlich wird die Menschheit Ruhe haben, um gemeinsam zu denken! Otto und ich wollten heute – “
„Du bist ein Träumer! Die Menschheit! Nachher wird das Militär alles kaufen und irgendeine Schweinerei damit anstellen, dann kannst du froh sein, wenn sie euch gut dafür bezahlt haben und die Menschheit nicht weiß, wer angefangen hat.“
„Otto und ich werden niemals zulassen – “
„Hör doch auf! Otto und die anderen verhandeln doch schon seit Monaten darüber, wie man aus der Idee auch was rausholen kann. Denkst du, daß Otto jetzt allein in eurem Labor sitzt und Pingpong gegen die Wand spielt?“
„Wer hat dir – “
„Da kommen die Frauen. Wolln wir mal wieder, ja?“

Dem dritten Akt folge ich, um mich von meiner Verbitterung abzulenken, mit mehr Aufmerksamkeit, und bald merke ich, daß das Stück nicht so schlecht ist, wie ich bisher gedacht hatte. Jedenfalls ist es durch den kleinen, ungeheuer charismatischen Darsteller, der seit der Pause die Bühne beherrscht, um einiges besser geworden. War der vorher schon dabei? Ich kann mich nicht erinnern. Seine dicke Frau redet unablässig auf ihn ein, während er versucht, eine Maschine in Gang zu bringen, eine dieser sinnlosen Theatermaschinen, gebastelt und bemalt, um kompliziert auszusehen oder Kompliziertes zu symbolisieren. Ich wünsche mir, ich könnte meine Frau fragen, wozu er diese Maschine gebaut hat, das muß ich verpaßt haben, aber den Gefallen tu ich ihr nicht. Geht es um einen Raumflug? Was sagt die dicke Frau dazu? Gerade habe ich sie noch verstanden … aber was hat sie gesagt? Ich habe es vergessen. Jetzt bewegt sie nur noch lautlos den Mund, klappt ihn auf und zu wie ein Karpfen, doch trotzdem verstehe ich sie, sie wimmert in meinem Kopf, ganz nahe der Schmerzgrenze, immer denselben Satz:

„Und ich höre nicht auf eh nicht alles gesagt und alles gefragt und alles geklagt und ich höre nicht auf eh nicht alles
gesagt –“

Ich sehe die anderen an. Günter blickt mit abwesend-amüsiertem Blick zur Beleuchtung empor. Helga flüstert und kichert mit meiner Frau. Aber ich höre sie nicht, das Wimmern ist zu laut, es hat alle Geräusche erstickt, der Druck in meinem Kopf ist unerträglich, ich spüre, wie sich mein Gehirn im Rhythmus der schrillen Litanei aufbläht und gegen die Schädeldecke pocht, dem Karpfenmund entgegen, es preßt mir das Blut durch die Trommelfelle, üble Schmerzen, bestimmt sickert es schon durch, aber niemand außer mir –

„höre nicht auf eh nicht alles gesagt und – “

Ich springe auf. Günter sieht erstaunt zu mir hoch und bewegt den Mund wie eine Kuh, ich stütze mich auf seiner Halbglatze ab, atme ein wie ein Stier und brülle:

„Halt endlich die Fresse!“

Der Mund der dicken Frau klappt zu. Der Druck in meinem Kopf verschwindet. Eine freundliche Brandung von verhaltenem Zwischenapplaus plätschert durch die Reihen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Meine Frau fuchtelt mit einem langen Arm an Helga und Günter vorbei zu mir herüber und zischelt:
„Würdest du dich vielleicht freundlicherweise wieder hinsetzen?“
Ich setze mich hin. Sehe zur Bühne. Auf der Bühne ist überhaupt nichts mehr passiert, seit ich die dicke Frau angeschrien habe. Beide Darsteller stehen wie Salzsäulen. Merkt das keiner?

Ich klatsche in die Hände, und der kleine Mann kommt um seine Maschine herum an den Bühnenrand und ruft ins Publikum:
„Wie trennt man vom Weibe das Wort?“
Das Publikum schreit:
„Mit dem Beil!“

Ich fahre zusammen. Sogar Günter hat mitgeschrien! Dabei weiß ich, daß der auch nie das Programmheft liest –
Der kleine Mann hat plötzlich ein Beil in der Hand. Er packt die Haare der dicken Frau, wickelt sie sich ein paarmal um die Hand und reißt ihren Kopf nach unten. Sie fällt auf die Knie, kurz höre ich noch einmal ihre Stimme in meinem Kopf:

„Es muß nicht mehr alles gesagt werden, weil – “

Dann gräbt sich die Beilschneide in ihren Nacken, und das ist überaus realistisch gemacht, sogar das Geräusch paßt, es klingt wie das Schmatzen, das die wütenden Hände meiner Frau jeden Freitag aus dem Frikadellenteig drücken.

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