Ausland, Sperrgut, Nachnahme
Die Post hat mir früher besser gefallen.
Was es da so alles gab, das gibt es so alles gar nicht mehr:
Erreichbare Filialleiter! Richtig klebrige Aufkleber! Viel, viel größere Briefmarkenschwämmchen! Unverschlüsselte Zollzettel! Barzahlung der Telefonrechnung!
Dass mit der Post etwas nicht stimmt, erkannte ich, als ich die erste Telefonzelle im Tarnkappendesign sah. Kurz darauf schossen die ersten Hexenringe unbedachter öffentlicher Fernsprechmarterpfähle aus dem Asphalt, und der Rest war mir dann egal.
Damals, in jenen einfachen, goldenen Zeiten, gab es einfache, goldene Regeln zur Ausfuhr von Gütern. Wichtig war zum Beispiel diese:
Österreicher sind behutsam auf die Mitteilung der Portokosten vorzubereiten und sollten danach eine Stunde lang allein sein dürfen.
Oder diese:
Wenn der Postmann mit dem langen Gesicht Schalterdienst hat, ist höchstens „Zweimal Nachnahme, sperrig“ erlaubt.
Das Kaltblut und sein Drehhocker
Der Postmann mit dem langen Gesicht hatte an mindestens vier Tagen der Woche Schalterdienst. Morgens betrat er durch die Hintertür das Schalterbüro und faltete seinen ungeheuren Körper auf den kleinen Drehhocker hinter der Glasscheibe, um ihn dort bis zum Feierabend zu belassen. Er sah aus wie ein Pferd, das Meißel kauen und Hufeisen spucken kann. Seine Mutter war ein Bergfried und sein Vater ein Kran. Er hatte das Temperament eines Schiffsdiesels, die Geduld eines Hügelgrabes und den Wendekreis einer Autobahnbrücke.
Gegen den Strich gestriegelt
Unser Verhältnis war schwierig, denn wir bestritten einen Großteil unseres Lebensunterhalts mit dem Aufgeben und Empfangen unförmiger, überdimensionierter und schwerer Sendungen, die sein tägliches Brot verbitterten.
Jedes Paket, das nicht durch den Schalter passte oder keine geeigneten Klebeflächen bot, jeder Aufkleber aus der obersten Schublade, jedes Durchschlagformular aus dem Schrank an der Wand und jedes, das wir beim ersten Ausfüllen versauten, zwangen ihn zum Aufstehen. Und das mochte er nicht.
Lange Zeit genügten aufrichtige Zerknirschung und gemurmelte Entschuldigungen, um den ungeschlachten Kaltblüter doch noch in Marsch zu setzen. Als die Pakete jedoch immer mehr wurden, erfand er eine neue Strategie, für deren simple Raffinesse und stoische Umsetzung ich ihn heute noch bewundere.
Umgesattelt
Bei „Ausland, Sperrgut, Nachnahme“ oder „Sie müssen doch den passenden Aufkleber haben!“ zog er entweder den Vorhang zu oder – viel schlimmer! – erhob sich von seinem Hocker, dessen Sitzfläche daraufhin drei Meter nach oben schoss.
Langsam faltete er sich hinter dem Glas auseinander, bevor er das Schaltertürchen aufschloss. Wenn er dann voll auseinandergefaltet herauskam und plötzlich Beine und riesige Füße hatte, war er wirklich sehr, sehr viel größer als ich. Mindestens dreimal so groß, fünfmal so schwer und ohnehin völlig unbesiegbar aufgrund der schieren, schweigsamen Massivität seiner pferdigen Knochigkeit.
Hinter ihm stand die Gewaltige Monopolistische Postmacht und roch nach Amtsvorhang, statischer Elektrizität und abkühlendem Kunstleder. Im Umkreis von zwanzig Kilometern war es sie und sie allein, die entschied, ob ein Paket „Sperrgut Nachnahme“ war – oder „Das nehmen Sie mal schön wieder mit.“
Abgehalftert
Der Postmann mit dem langen Gesicht hatte gar keine Worte nötig. Er stand einfach da, und allein durch die Nähe seiner dickledrigen, schwarzen Amstsschuhe verlor das Paket jedes Recht auf dienstliche Beförderung. Vor meinen Augen wurde es immer sperriger, unwürdiger und unsachgemäßer, bis ich es schließlich auf den Arm nehmen und an mich drücken wollte.
Sobald ich das getan hatte, machte der Postmann mit dem langen Gesicht einen drei Meter langen Schritt, ohne dabei ein Gelenk zu benutzen, und öffnete mit einem hingehauchten Fingerwink die schwere, klemmende und quietschende Posttür – weiter, als ich es vor seiner Amtszeit überhaupt für möglich gehalten hätte.
Ich glaube, er war der einzige, der diese Tür je sperrangelweit geöffnet hat – alle anderen mussten sich dagegenstemmen und hindurchquetschen.
Heimgeläutet
Während ich beförderungsunwürdiges Sperrgut an ihm vorbeitrug, bewegte er manchmal einige Atome seiner Lippenhaut und zeigte mir einen Quadratmeter seiner gelblich-matten, dielendicken Zahnschneiden.
Der pferdige Postmann war der Grund, warum wir auf UPS umstiegen. Damals. Er war definitiv ein Held unter den Beamten, aber er schickte uns einfach mit viel zu vielen Paketen wieder nach Hause.
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