Den Dom sehen können
Kölner fragen einander, ob sie den Dom sehen können. Auch Touristen werden mit dieser Frage konfrontiert.
Die Frage ist: Kannst du den Dom sehen?

Kannst du den Dom sehen?
Passende Momente für die Domsehfrage sind das erste Betreten einer Wohnung oder der Augenblick, nachdem sich alle hingesetzt haben, aber noch kein Essen kommt.
Oder, ganz formlos, ein Moment, in dem niemand etwas sagt.
Der ist unter Kölnern selten.
Die Frage weist, in Abhängigkeit vom Fragenden, verschiedene Klangfarben auf.
„Kannste dä Dohm sehn?“, fragte mich ein Kölner, der sichergehen wollte, dass ich alles verstand.
„Kannze dennde Dommsinn?“, fragte eine Frau ihr Kind in einem Maschinengewehrkölsch, das meine Großmutter mir als Zollstocker Kraaten erklärte. *
Den Dom muss man sehen können, solange er sichtbar ist
Die Frage nach der Sichtbarkeit des Doms ist dem Kölner nicht gleichgültig. Er beantwortet sie, sobald er sich im entsprechenden Raum zum ersten Mal aufhält und weit aus den Fenstern lehnen darf.
Ein Kölner auf Reisen tritt ans Fenster und blickt hinaus.
Er sieht den Central Park, den Vesuv, den Ayers Rock und den Pferdekopfnebel.
Er ist enttäuscht.
Bei starkem Heimweh hilft es dem Kölner, den Dom sehen zu können. Ist das unmöglich, will er zo Foß noh Kölle jonn.
Viele Kölner haben das hinter sich, unter ihnen mein Großvater, der von Russland zo Foß noh Kölle jonn musste.
Heute gibt es moderne, abgespeckte Initiativen, zu denen sich Menschen aus freien Stücken anmelden.
Ganz locker: Die Hierarchie des Domsehenkönnens
Das große Los hat gezogen, wer vom Balkon seiner Wohnung aus den Dom sehen kann. Ein Büro mit Domblick gewährleistet sieben Achtel der gewünschten Mitarbeitermotivation.
Einen Trostpreis verdient die besonders rührende Domsicht, etwa der Blick auf eine halbe Kreuzblume durch ein winziges Klofenster an einem ganz klaren Tag.
Verzweiflung ist die Milchglasscheibe im Treppenhaus, durch die der Dom nicht gesehen werden kann, weil ein kurpfälzischer Vermieter den Quatsch nicht braucht und den Schlüssel nicht hergibt.
Es ist kein Kölner Witz, seinen Speicher, das Dach oder den Schornstein als Ort des Domsehenkönnens anzugeben. Solche Aussagen bedeuten im Gegenteil, dass von dort aus der Dom zu sehen ist.
Schwer erreichbare, einsturzgefährdete, unbequeme und verbotene Domsehplätze sind zwar nicht die Crème de la Domsehn, erfüllen jedoch alle Voraussetzungen, da sie, wenn schon nicht zur Wohnung, so doch zum Haus gehören.
Wer neben dem Dom wohnt, ihn von vier Balkons aus sehen kann und im eigenen Garten täglich auf den Turmschatten tritt, kann den Dom sehen.
Wer sich mit einem Teleskop ins Katzenklo legen muss, um am Horizont eine Gerüstspitze zu erblicken, kann auch den Dom sehen.
Die Härte: Den Dom nicht sehen können
Kein Domblick vom Haus aus: Mit diesem Problem leben viele Kölner. Es ist anzunehmen, dass es noch weit mehr sind; die Dunkelziffer ist hoch.
Viele sind von täglicher Sorge um die Weltexistenz gezeichnet. Andere leiden unter Schlaflosigkeit und Sinnleere, weil sie zur Überprüfung der Domsichtbarkeit nichts weiter beitragen.
Selten ist Nachbesserung ohne Umzug möglich.
Wer die Domsichtprüfung vor dem Unterschreiben eines Mietvertrags bewusst unterlässt, ist wohl ganz besonders modern und glaubt, er habe es nicht mehr nötig, den Dom sehen zu können. Oder er gehört zu denen, die den Niedergang Kölns beklagen und den Dom gar nicht mehr sehen wollen, seit er so schmutzig, schwul und überfremdet ist.
Das steckt der Dom natürlich locker weg.
Im auf Sand gebauten Köln ist es übrigens nicht empfehlenswert, sich den Einsturz im Weg stehender Gebäude zu wünschen, um den Dom sehen zu können.
Allen Kölnern, die sich aus diesem Grund das Stadtarchiv weggewünscht haben und seit dessen Untergang aus dem Beichtstuhl gar nicht mehr herauskommen, gilt mein Mitgefühl.
*Schon damals ahnte ich, dass Kraaten weder Empfehlung noch Kosewort ist. Zollstock hingegen: Da wohnen Leute, die wohnen in Zollstock. Und können den Dom sehen!
Hut ab.
… ein schöner Grund, sein Büro in Oberhausen zu haben, nicht wahr?! Ich kenne das. Jeden Abend ein Dom: Ein beleuchteter, wenn es mal wieder spät wird, ein Sonnenuntergangs-Dom mit „Wow“-Faktor, ein Dom im Regen, der wie eine Versicherung da steht, „dat mer ja nich aus Zucker sinn…“ und selbst im Nebel ist er da. Wenn das nicht eine Orientierung im Nebel / lebeN ist…
Liebe CCs,
hab sehr gelacht… Speziell beim Beichtstuhl :)
Intelligent, unterhaltsam, kölsch …
Frei mich auf die Zusammenarbeit… wird bestimmt nicht der letzte herzhafte Lacher gewesen sein!
LG
Jan