Ebony and Ivory fehlt mir das Verständnis für
Ende Oktober sind wir umgezogen. Das Haus ist voller Kleinbaustellen, praktisch eine möblierte To-do-Liste. Das Werkzeug liegt in der Küche und ist sogar frisch sortiert. Tatsächlich fallen mir auf Anhieb allein vier garantierte Erfolgserlebnisse ein, für die ich nur eine Handvoll Rigipsdübel in die Wand zwirbeln müsste. Bei komplizierteren Projekten, z. B. dem Einrichten und Verkabeln des Aufnahmestudios, ließen sich Ruhm und Ehre allein durch physisches Anfangen ernten.
Stattdessen will mir nicht in den Kopf, warum mein alter Flügel auf einmal vergilbte Stellen auf den weißen Tasten hat.
Erstens verstehe ich nicht, wie die so plötzlich auftauchen konnten; vor sechs Wochen war da noch nichts. Außerdem gehen sie nicht ab, oder genauer gesagt, von den Reinigungsmethoden, die ich bisher probiert habe, hat keine funktioniert. Dafür habe ich überdurchschnittlich viel Zeit mit dem Putzen des alten Flügels verbracht, denn nur die Tastatur putzen geht ja nicht. Und obwohl das grundsätzlich, eigentlich und überhaupt eine sehr schöne Arbeit ist, gibt es dabei drei fiese Aspekte:
1. Technisches Elend
Der Grund hierfür sind die vielen Flächen bzw. die Größe der Gesamtfläche, um die man sich kümmern muss, damit die Arbeit auch nur einigermaßen erledigt aussieht. Ähnlich wie bei Badezimmerkacheln, Fensterrahmen und Schubladen fange ich auch beim Flügelputzen immer hochmotiviert an und wünsche mir zehn Minuten später, ich hätte es gelassen. Zwar trage ich gern duftende, kostbare Spezialpflegemittel mit weichen, fusselfreien Läppchen auf, aber fusselfreie Läppchen gibt es nicht, und das Nachpolieren macht mir schon keinen Spaß mehr.
2. Selbstsüchtiges Elend
Spätestens beim Nachpolieren denke ich daran, wie ich früher immer den Flügel putzen musste, bevor der Klavierlehrer kam, dann aber nie für den sauberen Flügel gelobt, sondern immer nur wegen unzureichenden Übens getadelt wurde. Und wie ich weiterhin nicht übte, es aber beim Flügelputzen nie fertigbrachte, wenigstens beim dritten Bein oder diesem dämlichen Nachpolieren zu schummeln.
3. Und das elend dümmliche Klaviertastenlied!
Spätestens beim Tastenputzen fällt mir das Lied „Ebony and Ivory“ ein, das mir sowieso nicht gefällt, dessen Text ich aber so extrabescheuert finde, dass ich mich darüber auch problemlos immer mal wieder separat ärgern kann – hier zum ersten Mal auch schriftlich.
Die zwei ?? und die total versemmelte Schwarz-Weiß-Malerei
Mit dem Text von „Ebony and Ivory“ hat Paul McCartney meines Erachtens vor allem demonstriert, dass er auch Mist schreiben kann. Schon den ersten Satz finde ich doof, denn Elfenbein und Ebenholz leben ja auf der Tastatur nicht mehr. Und schon gar nicht leben sie „together in perfect harmony“, denn irgendwo stand zwar der Baum, und irgendwo lebte der Elefant, aber es ist doch kein harmonisches Zusammenleben mehr, wenn deren Teile jetzt in einer Klaviermechanik nebeneinanderliegen!
Natürlich könnte ich nett sein und brav verstehen, wie das mit der harmony eigentlich gemeint ist, nämlich so, dass perfekte Harmonie nur möglich ist (und darum auf der Klaviatur besonders sichtgriffig vorliegt), wenn Weiße und Schwarze Seite an Seite zusammenleben. Und nicht nur die, sondern alle sind gleich, und zwar überall und mitsamt ihrem Guten und Bösen. Spitzenbotschaft! Da ist alles drin! So windelweich und wunderwahr, dass man sie in jede Verpackung stopfen kann; sie wird schon irgendwo rausquellen.
Weil so viele Leute nett sind, kommt dieser blöde Song seit Jahrzehnten mit seinen schiefen Bildern durch. Vor allem mit diesem faulen, unlogischen, aber hirnerschlaffend watterosigen und rosettenfettend gutherzigen Scheißvergleich mit der Klaviertastatur, obwohl es damit – Trommelwirbel – umso disharmonischer klingt, je mehr nebeneinanderliegende Töne gleichzeitig klingen. Außerdem ist es ü-ber-haupt kein Problem, perfekte Harmonien nur mit schwarzen oder nur mit weißen Tasten zu erzeugen! Oder irgendwie, denn für perfekte Harmonie reichen zwei Töne! Und das, obwohl die gleichtemperierte Stimmung, von der hier die Rede ist (und die übrigens von gelben und weißen, nicht aber schwarzen Tasten entwickelt wurde), gerade nicht für perfekte Harmonie (im Sinne der Naturgesetze) steht, sondern einen physikalisch faulen, aber anwenderfreundlichen Kompromiss darstellt.
Und dann dieser dämliche Nachtreter: „Why don’t we?“ So ‘ne loggersalobbe Einladung, mich zusammen mit dem albernen lyrischen Ich auf die schiefe Meta-Klaviatur zu begeben, in eine Welt, in der Logik durch Süßkram ersetzt ist, Harmonie mit vielen am besten klappt und seit dem Urknall die CDUR regiert. Vielleicht hat Paul sich ja gedacht, das ist alles egal, weil er immerhin mit Stevie, der Schwarz und Weiß auf allen Ebenen sehen kann, nur nicht mit den Augen, diese harmonischen Waschfrauenterzen intoniert. Und damit hätte das Lied endgültig alle im Sack; selbst die ärgsten Klugscheißer müssten sich was schämen. Oh Lord, why don’t we?
Auf Sicht muss das viel konkreter werden (Schluss mit versöhnlichem Schlusswort)
Um nochmal auf den Hausfrauenstandpunkt zurückzukommen, möchte ich kurz aufzählen, was ich versucht habe, um die rätselhaften gelben Stellen zu entfernen:
- Zahnpasta mit 20 % künstlichem Zahnschmelz: schien mir eine hochintelligente Lösung, Sie wissen ja: „Gelbe Tasten sind viel teurer!“ – Hat aber nicht funktioniert.
- Natron: Ist ja nicht so, dass ich die ganze letzte Nacht an meinem Flügel herumgewischt hätte. Ich habe außerdem Laugenbrezeln gebacken! Der Natroneimer stand noch da. – Kein Erfolg.
- Eine billige 5-Schritt-Nagelpolier-Stange vom Drogeriemarkt: in dünne Streifen gerissen, Schaumstoffkern entsorgt und Tasten den Behandlungsschritten 3-5 unterzogen. Seither leuchtet die Elfenbeinmaserung schöner denn je, doch das Gelbe wird nicht heller. Danke dafür, spuckebilliger Polierklotz.
- Zitronensaft: nichts.
- Milch: negativ.
- Ceranfeldreiniger: dito.
- Wasserstoffperoxid: Soll funktionieren, aber ich trau mich nicht. Davon kann man Spliss kriegen!
Als ich im Internet nachsah, was Profis zu diesem weltwichtigen Thema sagen, fand ich noch diese Tipps:
- Ein Profi sollte immer mit stark verschmutzten oder vergilbten Schlüsseln umgehen.
- Letzter Ausweg steht vor Enthauptung weißen Tasten den EU-Richtlinien zu erfüllen.
Und dabei fällt mir immerhin noch ein, dass der Text von „Ebony and Ivory“ mich bestimmt viel weniger ärgern würde, wenn er besser klänge. Oder wenn Paul und Stevie nicht in ihrer Muttersprache gesungen hätten. Wie Abba zum Beispiel; bei denen ist mir selbst der dämlichste Text egal.
f meint
http://lancia.co.za/stories/keys.php
f meint
1) da sind wir uns aussergewöhnlicherweise mal einig. Dies ist einer der bescheuertsten Songs die Paul je gemacht hat. Lennon/mccarney waren eine gute combo, ohne lennon ist paul total in der sülze versacht, eine Schande, den adelstitel hat er trozdem bekommen..
2) Die assiziazionen…. sprechen für sich. Wer sagt den das es hier ums Klavier geht ? Als Teil einer Mischehe denke ich da an was ganz anderes. Als Mick Jagger „brown Sugar“ resungen hat, hat er wohl kaum an Milka Schokolade gedacht..
3) Die verfärbung ist bedenlich, das ist was für den Chemiker, da treibst du besser einen Echten Chemiker auf nicht nur Dr. Google.
An deinem neuen Dmizil ist ganz offensichtlich die Chemie anders. Mehr kann der elektroingnieuer ier nicht sagen
Love
F.
Christine meint
Mensch, Cowboy, watch your German, don’t let it bröckel away like that! :D
Ja, aber ein Glück, dass Du das genauso siehst. Ich hatte schon befürchtet, vor Dir damit wieder als Kulturbanause dazustehn.
Als Hauptgrund für die Veränderungen an den Tasten sehe ich inzwischen den Lichteinfall. Hier kommt viel Licht rein, aber fast alles schräg von ziemlich weit oben. Deswegen ist auch die Maserung so deutlich zu erkennen. Die guck ich mir jetzt immer zwischendurch an, statt die Tasten weiter zu putzen. Das ist insgesamt die beste Lösung, denn sauberer waren die Tasten noch nie, und beim Spielen pfusche ich ja auch.