Ein bisschen uniquer Content: Spinning

Ich glaube nicht daran, dass jede reale Dienstleistung in die Cloud verlagert werden kann oder sollte. Wenn ich mich krank fühle, gehe ich zum Arzt statt online, und ich teile meine Musiksammlung, Fotoalben und spontanen Hirnfürze nur mit persönlich bekannten Freunden (die sich mit Realnamen und aktivierter Gesichtserkennung in meinem Netzwerk anmelden können). Oder ich behalte sie mangels verfügbarer Bandbreite einfach für mich – eine Strategie, die wie keine andere vor möglichen Langzeitschäden schützt.

Spinnt ihr?

Bisher haben wir diese Frage von unseren Kunden nur sehr selten gehört oder gelesen.

Nein, wir schreiben.

Denn wir texten von Hand, mit Herz und Verstand und unter Anwendung semantischer, grammatikalischer und orthografischer Regeln. Bei jedem textuellen Unikat, das wir liefern.

Und wir sind davon überzeugt, damit nicht nur für ein paar Jahre, sondern dauerhaft jedem auch noch so komplex aufgebauten Algorithmus überlegen zu sein. Weil wir nicht alle Regeln benennen oder zitieren können und sie dennoch anwenden. Und weil nach Abzug aller Regeln Sprache ein menschliches Werkzeug ist und bleibt, das sich nicht vollständig formalisieren lässt.

Wir lehnen Text-Spinning nicht aus moralischen Gründen ab, sondern weil wir zu faul sind, es dem Computer zu erklären.

Aber Spinning ist doch die günstigste Möglichkeit, an unique Content zu gelangen?

Unbestritten: Gespinnte Texte werden spuckebillig angeboten, weil nur am Anfang ein Mensch für seine kreative Arbeit bezahlt werden will. Danach lassen sich fast beliebig viele Texte aus einer einzigen Textmutter züchten.

Allerdings: Wie so oft steckt der Teufel im Detail.

Der Originaltext:
Geht es Ihnen unter anderem gelegentlich so: Sie sollen eine Aufmerksamkeit realisieren und besitzen absolut keine Vorstellung, was Sie schenken können?
An diesem Punkt gibt es die Problembewältigung: Spendieren Sie doch einfach mal einen Coupon! Es ist ein tolles Souvenir, besonders, für den Fall, dass man in etwa weiß, woran der zu Beschenkende Freude hat.

Das also ist die Textmutter, der Basistext; an sich schon von sehr trauriger Gestalt. Was dabei herauskommt, wenn so etwas die Basis für besonders günstigen, „weitgehend einzigartigen“ Content darstellt, der durch den Einsatz eines Spinners (im Sinne einer Sammlung von Algorithmen und Datenbankabfragen) entsteht, lässt sich mit dem Axiom „Shit in – Shit out“ prognostizieren.

Der muttersprachliche Leser möge selber urteilen:

Gespinnter Text Beispiel 1:
Geht es Ihnen ab und an so: Sie sollen ein Mitbringsel besorgen und besitzen gänzlich keine Vorstellung, was Sie übergeben können?
Hier ist die Lösung: Verschenken Sie doch genügsam mal einen Gutschein! Es ist ein tolles Präsent, besonders, falls man schätzungsweise weiß, woran der zu Beschenkende Spaß hat.

Gespinnter Text Beispiel 2:
Kennen Sie das auch zeitweise so: Sie sollen ein Präsent machen und besitzen absolut keine Erleuchtung, was Sie überreichen können?
Hier ist die Problembewältigung: Verschenken Sie doch unproblematisch mal einen Voucher! Es ist ein tolles Geschenk, im Besonderen, falls man etwa weiß, woran der zu Beschenkende Enthusiasmus hat.

Gespinnter Text Beispiel 3:
Geht es Ihnen auch manchmal so: Sie müssen ein Präsent kaufen und haben gänzlich keine Inspiration, was Sie mitbringen können?
An diesem Punkt gibt es die Lösung: Verschenken Sie doch leicht verständlich mal einen Coupon! Es ist ein tolles Mitbringsel, besonders dann, wenn man schätzungsweise weiß, worüber der zu Beschenkende Wohlgefallen hat.

Es handelt sich um originale Zitate (Quelle), denen offensichtlich eine gewisse Werbewirkung angedacht oder zugetraut wird. Wir finden das erstaunlich.

Zwar freuen wir uns an den putzigen, ungewollten Wortspielen und sprachlichen Ungeschicklichkeiten, doch unseren Kunden können wir so etwas nicht anbieten. Denn die brauchen neue, gute Texte, ohne Kompromisse, von Sprachzentrum zu Sprachzentrum. Weil gute Texte mehr als nur unique Content sind, weil die Sprache den Menschen gehört und von Menschen gehört und gelesen werden sollte.

Amen und out.