Bachabwärts – geheimnisvolles Rennachtal
Die Rennach fließt in die Pfinz. Zwischen Feldrennach und Ittersbach überquert sie die schwäbisch-badische Grenze; den exakten Meter kennen jedoch nur Spezialisten, und die reden nicht gern darüber.
Hier sieht man den Weg bachabwärts hinter Feldrennach.
Die Pappeln bedecken zur Paarungszeit den Uferweg mit Pappelwolle und werfen im Winter knorpelige Ästchen gleich büschelweise ab. Trotzdem sind sie nicht so schnelllebig wie manche ihrer Artgenossen:
Sie stehen schon ewig da und fallen auch nicht um.
Stilles Tal
Einem Teil des Rennachtals hat Wilhelm Ganzhorn ein Lied gewidmet.
Die Hommage des verliebten Juristen an den schönsten Wiesengrund wird der Vollständigkeit halber erwähnt, jedoch nicht zum Nachsingen empfohlen – zumindest nicht in Hörweite der Bäume, zur Paarungs- und Brutzeit des Waldgetiers, mit fühlbar erhobener Stimme zwischen Martini und Johanni oder gar in der gefährlichen Zeit nach dem 1. Mai.
Vorsicht:
Freiluft-Volkstum ist verbotener, als viele wissen.
Schwäbische Förster nehmen das Waldgesetz ernst: Wer bei Verstößen erwischt wird, muss ein Bußgeld bezahlen.
Lügen haben nasse Füße
Beim Lügenbrückchen ist es immer kühl.
Zwischen bärtigen Buchen steht ein Steintisch, der kein Opferaltar ist.
Jungfrauen haben darauf geschlafen:
Nichts ist passiert.
Über die Brücke geht die Sage:
Steht einer darauf und erzählt eine Lüge, so stürzt sie ein.
Der Bach ist tief und voll verborgenen Durcheinanders.
Der Wald hält die Luft an.
Du traust dich nicht, sagt das Brückchen.
Little Muddy Waters: Zurück zu den Windungen der Natur
Nach dem Jahrhunderthochwässerchen wurden der begradigte Bachlauf und einige namenlose Nebenbäche renaturiert:
Mit krummen Kurven, flachen Furten und unbefestigten Ufern sollen sie bei Hochwasser in die Wiesen gelockt und von den Dörfern abgelenkt werden – wie zu Großvaters Zeiten.
Ein Bach, der keinen Namen trägt …
… sich aus feuchten Wiesen speist und in die Rennach fließt.
Die Bank aus dem ganzen Baum
Plötzlich stand auch dieses Möbelstück da, auf dessen warmer, von vielen Hintern glattgeschliffener Fläche sechs sitzende, drei liegende, zwei verliebte, vier betrunkene oder fünf korpulente Erwachsene (oder acht bis achtzehn verschieden erzogene und ambitionierte Minderjährige) bequem Platz finden.
Jemand muss es aus einem der Bankbäume früherer Zeiten geschnitzt haben.
Einst war es in der Farbe der Sonne lackiert.
Die übriggebliebenen Sonnenflecken blättern ganz langsam ab.
Schon im ersten Sommer war das Rennachmöbel rundherum grün:
Guerillagärtner hatten Dutzende von Weidenruten in den Boden gesteckt, von denen fast alle anwuchsen und austrieben.
Kleine Welt mit großer Zukunft
Die Renaturierungsmaßnahmen haben dem Rennachtal zwischen Feldrennach und Ittersbach die Umweltinitiative hinzugefügt, ohne die sich keine Landschaft von Welt mehr ins Freie traut. Damit beheimatet es alles, was ein Bachtal braucht, um bei der Präsidentenwahl kandidieren zu dürfen:
- Eine Sumpfwiese, eine Obstwiese und ein Waldgebiet,
- ein wildes und ein zahmes Ufer,
- einen Nebenbach und eine Brücke,
- ein historisches Hochwasser,
- eine moderne Umweltinitiative,
- ein helles Lied,
- eine dunkle Sage,
- einen verständigen Esel und fünf bodenständige Pferde,
- zehn ständige Hühner und zwei zuständige Hähne,
- einen selbstständigen Förster mit anständigem Traktor,
- ein betreutes Bienenhaus mit zweifarbiger Fassade,
- einen Amphibienbestand mit selbstverwaltetem Laichplatz,
- einen Weg zum Wandern,
- einen Platz zum Schlafen,
- sieben Sorten Sand und Gras,
- Lehm zum Kneten,
- wilde Blümchen,
- immer Zeit und
- alle Wetter.
Doch das Rennachtal braucht keine Ämter, keine Schilder und keine Touristen. Es genießt die friedliche Zeit mit seinen Nebenbächen, Saisonrinnsalen und anderen Plätscherkameraden – und bereitet sich in aller Ruhe auf die Verantwortung eines regelmäßigen Pfinztalzulieferers und künftigen Teilhabers der Rheintalgemeinschaft vor.
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